In Rahmen der Einschulungsuntersuchung (ESU) werden im Landkreis Kassel jährlich bis zu 2.400 Kinder vom Gesundheitsamt Region Kassel untersucht. Dabei können nicht nur Entwicklungsverzögerungen in den Bereichen Sprache und Motorik, sondern auch gesundheitliche Probleme der Kinder erkannt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen für das Schuljahr 2023/24 zeigen ein gemischtes Bild. Während weniger Kinder übergewichtig oder adipös sind, zeigen im Vergleich zu den Vorjahren immer mehr Kinder Auffälligkeiten in den Seh- und Hörtests. Auch in der Sprachkompetenz zeigen die einzuschulenden Kinder weiterhin Defizite.
„Die hessenweit standardisierte Einschulungsuntersuchung ermöglicht es, die gesundheitlichen und entwicklungsbedingten Förderbedarfe eines Kindes frühzeitig zu entdecken. Die Untersuchung ist ein wichtiges Instrument für Kitas, Schulen und Eltern, um auf Förderbedarfe zu reagieren und die Bildungs- und Gesundheitschancen eines Kindes fördern und sichern zu können,“ sagt Vizelandrätin Silke Engler.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Für die Einschulung in das Schuljahr 2023/24 wurden im Landkreis Kassel insgesamt 2.376 Kinder im Alter von 4 bis 7 Jahren untersucht. Wobei der Großteil der Vorschulkinder 5 und 6 Jahre alt ist. Von den untersuchten Kindern waren 52,3 % Jungen und 47,7 % Mädchen. 73 % sprachen innerhalb ihrer Familie vorwiegend Deutsch, 27 % der Kinder sprachen eine andere Sprache.
Übergewicht und Adipositas
Insgesamt ist der Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder im Landkreis Kassel im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (2022: 10,3 %; 2023: 9 %). Dennoch gibt es Gemeinden, in denen in 2023 mehr Kinder Probleme mit dem Gewicht hatten, als in 2022.
„In den in 2023 prozentual am stärksten betroffen Gemeinden Nieste (21,4 %), Liebenau (15,6 %) und Wesertal (15 %), sollten in den Kitas und Grundschulen zusätzliche Angebote zur Bewegungsförderung und Ernährung geschaffen werden“, empfiehlt Dr. Britta Röper, Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel.
Motorische Fähigkeiten (Grob- und Feinmotorik)
Auch der Anteil der Kinder mit Auffälligkeiten in der Feinmotorik nimmt im gesamten Landkreis weiter ab (2022: 12,4 %; 2023: 12,1 %). Dennoch gibt es Gemeinden, in denen Kinder auffälliger sind, als der Durchschnitt. So hatten Kinder vor allem in den Gemeinden Wolfhagen (22,4 %), Wesertal (19,5 %) und Söhrewald (17,5 %) in der Untersuchung Schwierigkeiten bei der feinmotorischen Bewegung der Hände.
Bei der Koordination des Körpers, also der Grobmotorik, hatten in 2023 geringfügig mehr Kinder Schwierigkeiten (7,2 %) als im Jahr zuvor (6,9 %). Betrachtet man die prozentualen Anteile, zeigt sich in den Gemeinden Helsa (17,8 %), Wesertal (15 %) sowie Vellmar (12,2 %) dahingehend am meisten Förderbedarf.
Insgesamt weisen die aktuellen Ergebnisse der ESU darauf hin, dass die, für das Schuljahr 2023/24 untersuchten, Kinder aus dem Landkreis Kassel eher feinmotorische als grobmotorische Schwierigkeiten hatten.
„Dort, wo die Ergebnisse besonders auffällig ausfielen, sind zusätzliche Sprachförderprogramme zur Verbesserung der Sprachkompetenz der Kinder erforderlich“, sagt Vizelandrätin Engler. „Dies gilt auch für Gemeinden, bei denen im Vergleich zum Vorjahr mehr Kinder sprachauffällig waren.“
Auch im Jahr 2023 weisen die Ergebnisse der ESU darauf hin, dass Kinder in mehreren schulrelevanten Bereichen von einem regelmäßigen Besuch einer Kita profitieren. Es wird zum Beispiel deutlich, dass sich der Kitabesuch ab einer Dauer von 18 Monaten positiv auf die Entwicklung der Sprachkompetenz auswirkt (siehe Abbildung 2). „Die Daten zeigen erneut die Notwendigkeit, allen Kindern des Landkreises Kassel einen Platz in einer Kita zur Verfügung zu stellen“, erläutert Engler.
Sehen und Hören
Der Anteil der Vorschulkinder mit Auffälligkeiten beim Sehtest (Sehschärfe) ist im Jahr 2023 auf einem besorgniserregenden Höchststand (Anstieg von 26,9 % in 2022 auf 30,5 % in 2023). Beim Hörtest, bei welchem die Hörkraft getestet wird, zeigen im Jahr 2023 mit 20,6 % doppelt so viele Kinder Auffälligkeiten wie im Jahr zuvor (11,2 %).
In den Gemeinden Trendelburg (54,5 %) und Fuldabrück (51 %) zeigen über die Hälfte der dort untersuchten Kinder Auffälligkeiten beim Sehtest. In Hofgeismar sind es 44,5 % (siehe Abbildung 3). Beim Hörtest sind es vorwiegend Kinder aus Fuldabrück (42 %), Reinhardshagen (38,2 %) und Espenau (36,6 %) mit auffälligen Ergebnissen (siehe Abbildung 4).
Die aktuellen Ergebnisse der ESU weisen darauf hin, dass die für das Schuljahr 2023/24 untersuchten Kinder im Landkreis eher Schwierigkeiten bei den Sehtests, als bei den Hörtests hatten. Auch fällt in Abbildung 4 auf, dass in vielen Gemeinden ein starker Anstieg der Auffälligkeiten im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen ist.
„An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei noch nicht um festgestellte Seh- oder Hörschwächen handelt, sondern um Auffälligkeiten beim jeweiligen Sinnesscreening. Diese erfordern eine Überweisung zu einer Fachärztin oder einem Facharzt. Die Gründe für die auffälligen Ergebnisse der Kinder im Sinnesscreening können vielfältig sein: Nachlassende Konzentration in der Untersuchung, Sprachbarrieren oder vermehrte Infekte der oberen Atemwege mit vorrübergehender Minderung der Hörleistung“, erläutert Michaela Maßmann-Pabst, Ärztin und Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendgesundheit im Gesundheitsamt Region Kassel.
Impfen
Der Landkreis Kassel übertrifft das nationale Impfziel zum Masernschutz von 95 % mit der aktuellen Impfrate der Einschulungskinder erneut. Sie liegt im Schuljahr 2023/24 bei 97,3 %. Die Prozente der Impfrate basieren auf der Auswertung der vorgelegten Impfdokumente. Diese lagen in 2023 bei 97 % der Kinder vor.
Maßnahmen
Aus den Ergebnissen der ESU für das Schuljahr 2023/24 ist abzulesen, dass schon viele Maßnahmen, die von den Gemeinden im Landkreis Kassel umgesetzt wurden, wirken. Schon früh lernen die Kinder gesundheitsfördernde Verhaltensweisen durch den „zuckerfreien Vormittag“ und Informationen über gesunde Ernährung in den Kindertagesstätten. Niedrigschwellige Bewegungsangebote in Kitas, aber auch in den Vereinen, fördern die Motorik und Koordination von Kindern und vermitteln Spaß an der Bewegung. Auch werden hier Kontakte zu Gleichaltrigen gefördert. Dies unterstützt vor allem die Kinder, die noch nicht lange in Deutschland sind, ihre Sprachkompetenzen in Deutsch zu verbessern. Auch die Nutzung von Gemeindebüchereien mit Vorleseangeboten kann mit niedrigschwelligen und kostenarmen Vorleseangeboten eine gute Möglichkeit der Sprachförderung darstellen. Gemeinsame Brettspiel- und Bastelangebote können die Feinmotorik verbessern und Fördermöglichkeiten für Familien im Alltag aufzeigen.
Ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung der Sprachkompetenz, ist die flächendeckende Umsetzung des hessischen Kindersprachscreenings (KiSS) in allen Kindertagesstätten. Durch dieses Screening werden medizinisch oder pädagogisch abklärungsbedürftige Sprachauffälligkeiten bereits bei Kindern im Alter von 4-4 ½ Jahren erkannt und notwendige Fördermaßnahmen eingeleitet. Gleichzeitig dienen die fortgebildeten KiSS-Erzieherinnen und -Erzieher in den Kitas als Multiplikatoren zur Sprachförderung.
Bei allen gesundheitsförderlichen Angeboten ist es wichtig, dass diese passgenau auf die jeweiligen Gemeinden oder Einrichtungen zugeschnitten werden. Durch die Auswertung der Ergebnisse der ESU können die notwendigen Maßnahmen an die jeweiligen Bedarfe angepasst werden.
Ausblick
Um die Ergebnisse der ESU der vergangenen Schuljahre noch ausführlicher darzustellen und zu erläutern, ist ein neuer Kindergesundheitsbericht in Arbeit. Neben den ESU-Daten der Jahre 2018, 2019, 2020, 2022 und 2023, wird dieser Daten der zahnmedizinischen Reihenuntersuchungen sowie die Ergebnisse des Kasseler Kindergesundheitsindex (KIKiG) enthalten. Die Veröffentlichung des Kindergesundheitsberichts ist für nächsten Sommer geplant. Der erste Kindergesundheitsbericht mit den ESU-Daten aus 2012 bis 2016 ist auf der Internetseite des Gesundheitsamtes Region Kassel zu finden.