Resolution der nordhessischen Landkreise

Es ist fünf nach zwölf! Das Geld fehlt!
Die Bürgerinnen und Bürger fordern als Steuerzahler zurecht eine intakte Infrastruktur mit modernen
Schulen, sanierten Straßen, einer guten medizinischen Versorgung, schnellem Internet und einer
zügigen Bearbeitung ihrer Anliegen. Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren viele gute
Gesetze verabschiedet, dabei aber die langfristige Finanzierung komplett ausgeblendet. Die
Kommunen müssen staatliche Aufträge erfüllen, werden aber nicht mit den notwendigen finanziellen
Mitteln ausgestattet, um die Umsetzung dauerhaft sicherstellen zu können. Das hebelt zunehmend
die kommunale Selbstverwaltung und damit die Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort aus.


Die Aufgabenverteilung funktioniert nicht mehr
Die deutsche Volkswirtschaft stagniert. Mit drohenden Standortschließungen in der Industrie stehen
viele tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die
Steuereinnahmen auf allen Ebenen aus. Mittlerweile sind die Kommunen am Ende ihrer
Leistungsfähigkeit angekommen. Es drohen massive Sparzwänge, Einschnitte in allen Bereichen der
öffentlichen Daseinsfürsorge werden notwendig. Gleichzeitig werden die ohnehin knappen
Ressourcen für freiwillige Aufgaben weiter beschnitten. Die Finanzierung von Vereinen,
Musikschulen, Kultur und wichtige Angebote zur Stärkung der Demokratie, Integration und Vielfalt
wird nicht mehr im gewohnten Maße funktionieren. Die Bevölkerung wird zunehmend überfordert,
mit gravierenden Folgen für unsere Gesellschaft.


Bund und Länder sind gefordert
Bund und Länder schieben die Verantwortung nach unten durch. Für die Landkreise wird es immer
schwerer, ihren Aufgaben gerecht zu werden, die sie als Dienstleister für die kreisangehörigen
Kommunen und damit für die Menschen vor Ort erfüllen. Das Auszahlen von Transfer- und
Sozialleistungen ist eine Pflichtaufgabe. Hinzu kommen explodierende Kosten in der Jugendhilfe und
steigende Umlagen. Gleichzeitig übernimmt die kommunale Ebene immer mehr Verantwortung für
die Kliniklandschaft - und das bei immer schlechteren finanziellen Rahmenbedingungen. Das Recht
auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule, die Ausweitung des Wohngelds und das Deutschland-
Ticket sind nur einige Beispiele.


Die Landkreise haben keine Stellschrauben, die auferlegten Aufgaben und die damit verbundenen
Kosten sozialverträglich zu erwirtschaften. Zur Deckung des Kreishaushalts bleibt nur die Erhöhung
der Kreisumlage. Diese ist vor dem Hintergrund der stark gestiegenen
Transferleistungsverpflichtungen inzwischen faktisch zu einer „Sozialleistungs- und
Jugendhilfeumlage" degeneriert. Die Landkreise können der gesetzlichen Verpflichtung zum
Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft des kreisangehörigen Bereichs nicht mehr nachkommen,
geschweige denn Akzente für die Entwicklung der Kreisräume setzen. Bei lahmender Konjunktur mit
sinkenden Steuererträgen kann ein weiterer Griff in die kommunalen Kassen nicht die Antwort auf
ein strukturelles Problem sein. Weitere Umlageerhöhungen werden massive Auswirkungen auf das
Gemeinwesen haben. Ehrenamtliche für die Kommunalpolitik zu begeistern, wird ohne
Gestaltungsmöglichkeiten zunehmend schwerer, denn für die Bürgerinnen und Bürger in den Städten
und Gemeinden tragen die ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker vor Ort am Ende die
Verantwortung.


Unsere Forderungen
• Wenn die kommunale Familie als erster Ort des demokratischen Erlebens und wichtige Säule
unseres Zusammenlebens nicht mehr handlungsfähig ist, wird das Vertrauen in die
staatlichen Institutionen weiter abnehmen. Das darf so nicht weitergehen! Der Gesetzgeber
muss jetzt handeln und für eine auskömmliche Finanzierung aller staatlichen Ebenen sorgen!
• Wir fordern eine Anpassung der Verteilung von Steuergeldern. Ein Beispiel kann die
Neuaufteilung der Umsatzsteuer sein, da die Umsätze auch konkret vor Ort entstehen,
sollten Kreise und Kommunen hier angemessen beteiligt werden.
• Wir fordern die vollständige Übernahme der Kosten für die Ganztagsbetreuung. Es braucht
mindestens investitions- und Personalkostenzuschüsse.
• Eine Ausweitung von Leistungen lehnen wir ab, wenn nicht die vollständige
Kostenübernahme durch Bund/Land gewährleistet ist.
• Wir fordern Bund und Länder auf, die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf die
kommunale Ebene von Beginn an mitzudenken. Es muss der verfassungsrechtliche Grundsatz
gelten: Wer Leistungen bestellt, zahlt auch dafür!
• Wir fordern die Überprüfung aller maßgeblichen (Sozial-)Leistungsgesetze sowohl auf ihre
Wirksamkeit als auch auf Angemessenheit und Finanzierbarkeit.
• Wir fordern die Wiederherstellung der verfassungsmäßig garantieren kommunalen
Selbstverwaltung für die Landkreise, die durch die überbordende, bis ins Detail gehende
Bundes- und Landesgesetzgebung inzwischen ausgehöhlt ist. Dazu gehört der Abbau von
Standards und vor allen Dingen das Absehen von Regelungen im Detail durch Gesetzund/
oder Verordnungsgeber.
• Dabei ist auch durch die landes- und bundesgerichtliche Ebene mit immer detaillierteren
Vorgaben für die kommunale Ebene umzugehen.
• Verwaltungsvorschriften, zusätzliche Anforderungen und Detail-Regelungsverliebtheiten
haben zu deutlich mehr Bürokratie und einem exponentiellen Anstieg der
Personalaufwendungen bei den Landkreisen beigetragen. Wir fordern deren Rückführung
und die Verlagerung der Ausführungskompetenzen in die Hand der Landkreise.

Gezeichnet: Landrat Andreas Siebert (Kassel), Landrat Jürgen van der Horst (Waldeck-Frankenberg), Landrat Winfried Becker (Schwalm-Eder), Landrat Torsten Warnecke (Hersfeld-Rotenburg) und Nicole Rathgeber (Werra-Meißner).