Gesundheit der Kinder hat sich teilweise verschlechtert

Im Landkreis Kassel werden jährlich rund 1.900 einzuschulende Kinder in der jeweils zuständigen Grundschule, im Gesundheitsamt der Region Kassel oder in einer der Außenstellen untersucht. Dabei können die Stärken, aber auch der Förderbedarf eines Kindes ermittelt werden. Neben einem Seh- und Hörtest geht es in der spielerisch angelegten Untersuchung etwa um die Sprachkompetenz und die Beweglichkeit der angehenden Schulkinder. 

Die Ergebnisse aus dem Jahr 2022 haben sich unter anderem durch die Pandemie im Vergleich zu 2019 teilweise deutlich verschlechtert. Es gibt aber auch Verbesserungen in manchen Bereichen und Gemeinden. „Jedes Kind wird durch Mitarbeitende des Gesundheitsamts im Jahr vor der Einschulung untersucht. Die Einschulungsuntersuchung (ESU) ermöglicht es Familien, die Stärken und Förderbedarfe ihrer Kinder frühzeitig zu erkennen. Mit den Eltern können vorab Fördermöglichkeiten besprochen werden, damit der Schulstart gut gelingt“, informiert Landrat Andreas Siebert.  

Der Ablauf und das Ziel 

Die ESU beinhalten den Hör- und Sehtest, das Erfassen von Größe und Gewicht, das Messen des Blutdrucks und des Pulses, eine körperliche Untersuchung und die Untersuchung des allgemeinen Entwicklungsstandes. In Stadt und Landkreis Kassel erfolgt ein Teil der Untersuchung durch eine medizinische Fachangestellte, der andere Teil durch eine Ärztin des Gesundheitsamtes Region Kassel.  

Im Gespräch mit dem begleitenden Sorgeberechtigten werden die Ergebnisse der Untersuchung und die individuelle Schulempfehlung besprochen. „Sollten sich Förderbedarfe in mehreren Bereichen ergeben, so kann auch die Rückstellung vom Schulbesuch in die Vorklasse oder der Verbleib in der Kita empfohlen werden. Dies soll vermeiden, dass sich Kinder in der ersten Klasse überfordert fühlen“, erläutert Regine Bresler, Leiterin des Gesundheitsamts Region Kassel. Bei Bedarf werden den Eltern die Fördermöglichkeiten aufgezeigt und aufkommende Fragen ausführlich beantwortet. 

Die Auswertung 

Die Zahlen des Gesundheitsamtes Region Kassel basieren auf den Daten, die bei den Untersuchungen der Kinder vor deren Einschulung in den Jahren 2019 und 2022 im Landkreis Kassel erhoben wurden. „Als Gesundheitsamt interessieren uns nicht nur die Stärken und Förderbedarfe der Kinder, sondern wir schauen uns auch an, wie sich die Ergebnisse in einzelnen Gemeinden entwickeln. In bestimmten Fällen ist es dann unsere Aufgabe, auf kommunaler Ebene Fördermaßnahmen anzuregen oder umzusetzen. Dies kann ein zusätzliches Bewegungsangebot in einer Gemeinde sein, in der eine höhere Anzahl von Kindern mit Übergewicht ersichtlich wurde. Und wenn mehr Auffälligkeiten in der Feinmotorik festgestellt wurden, kann in den Kindertagesstätten gezielt Basteln und Malen angeboten werden“, erläutert Bresler. 

Um ausgewählte Ergebnisse vergleichen zu können, wurde von Mitarbeitenden des Gesundheitsamts Region Kassel der Kasseler Index für Kindergesundheit (KIKiG) entwickelt. Innerhalb des KIKiG werden verschiedene Gesundheitsindikatoren der ESU mehrerer Jahre zu folgenden Bereichen zusammengefasst und ausgewertet:

Impfrate: Masern, Mumps, Röteln (MMR)
Gewicht (Untergewicht, Übergewicht und Adipositas)
Sinnesscreening (Sehen und Hören)
Körpercheck (pandemiebedingt ohne HNO-Untersuchung)
Fein- und Grobmotorik
Sprachscreening

Der aktuelle Index basiert auf den Ergebnissen der ESU in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2022. Das Jahr 2021 wurde aufgrund einer unzureichenden Datenlage während der Corona-Pandemie ausgelassen.  „Ziel des bundesweit einzigartigen KIKiG ist es, Erkenntnisse über die kleinräumige Verteilung ausgewählter gesundheitlicher Ressourcen und Belastungen von Schulanfängern im Landkreis zu erhalten“, sagt Siebert. „Die aktuellen Erkenntnisse des KIKiG, die das Gesundheitsamt Region Kassel aus den Daten der ESU in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2022 gewinnen konnte, sollten zur Umsetzung von passgenauen Fördermaßnahmen im Landkreis beziehungsweise in den einzelnen Gemeinden führen.  

Die Ergebnisse 

Die Ergebnisse der ESU des Landkreises Kassel zeigen unter anderem besondere Stärken, der in den einzelnen Gemeinden untersuchten Kinder sowie bestimmte Fakten zu deren Gesundheitszustand. So zeigt der KIKiG der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022, dass die Kinder beispielsweise in Zierenberg, Schauenburg und Ahnatal gute fein- und grobmotorische Fähigkeiten haben. Sie können also gut zeichnen und springen. In Breuna und Schauenburg sowie in Habichtswald können die Kinder gut sehen und hören, verfügen also über gute Sinne. In Bad Emstal und Nieste zeigen die Kinder, dass sie gute Sprachkompetenzen besitzen. Der allgemeine Gesundheitszustand, der mit einer körperlichen Untersuchung (Körpercheck) erfasst wird, ist vor allem bei Kindern aus Schauenburg, Breuna und Söhrewald gut.  

Folgende Grafik des KIKiG zeigt die Stärken und Schwächen der Kinder in Bezug auf die genannten Bereiche, die jeweils farbig abgebildet werden. Dargestellt ist die Abweichung der Werte in den Gemeinden vom Durchschnittswert (Mitte). Rechts der Mitte finden sich die Kriterien, in denen weniger Auffälligkeiten bei der ESU gefunden wurden, links der Mitte sind die Kriterien mit mehr Auffälligkeiten dargestellt.

Die Grafik zum KIKiG zeigt, dass auch Gemeinden mit insgesamt niedrigem Indexwert, wie zum Beispiel Bad Karlshafen, in Teilbereichen über dem Durchschnittswert liegen können. So liegt die Impfrate der untersuchten Kinder gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) in Bad Karlshafen über dem Durchschnitt. 

Die Daten des KIKiG aus dem Gesundheitsamt Region Kassel lassen auch einen übergreifenden Blick in die einzelnen Gemeinden zu (siehe Abbildung 2). In Gemeinden mit niedrigem Index (rot und orange) zeigten sich vermehrte Auffälligkeiten bei den Einschulungsuntersuchungen. In Gemeinden mit höherem Index (blau), gab es weniger Auffälligkeiten bei den untersuchten Kindern.

Neben dem KIKiG, der ein übergreifendes Bild vermittelt, ist mit den neuen Ergebnissen nun auch der Vergleich zwischen den Jahrgängen vor und nach der COVID-19-Pandemie möglich. Insgesamt zeigen die Ergebnisse aus der Überprüfung der Sprachkompetenz (Pluralbildung und Präpositionen) in der ESU, dass, im Vergleich zu den Daten des Einschulungsjahrgangs 2019, 2022 mehr Kinder sprachauffällig waren. 

„Da auch die Dauer des Kindergartenbesuchs dokumentiert wird, zeigen unsere Daten, wie sehr die Kinder von einem regelmäßigen Besuch einer Kindertagesstätte profitieren“, sagt Landrat Siebert. „Mehr als die Hälfte aller Kinder, die keine Kita besucht haben, waren bei der Überprüfung der Sprachkompetenz im Jahr 2022 auffällig. Dies belegt eindeutig die Notwendigkeit, allen Kindern einen Platz in einer Kita zur Verfügung zu stellen.“

Dennoch zeigten auch rund zwölf Prozent der Kinder, die die Kita länger als 36 Monate besuchten, bei der Einschulungsuntersuchung im Jahr 2022 auffällige Befunde bei der Sprachkompetenz. Bei den Untersuchungen im Jahr 2019 waren dies noch fünf bis sieben Prozent. Vergleicht man die Auffälligkeiten in der Grammatik (Pluralbildung und Präpositionen) von Jungen und Mädchen, so zeigt sich, dass, sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2022, Jungen mehr Schwierigkeiten bei der Pluralbildung und den Präpositionen hatten, als Mädchen (siehe Tabelle 2). 

Bresler dazu: „Es scheinen weitere präventive Maßnahmen für Kinder im Vorschulalter zur Sprachförderung im Alltag und in der Kita erforderlich zu sein, um die Sprachkompetenz bis zur Einschulung zu verbessern. Nur so kann ein erfolgreicher Start in der Schule gelingen und die Chancengerechtigkeit für alle Kinder verbessert werden“. 

Weitere Daten der ESU zeigen den Anteil der Kinder in den verschiedenen Gemeinden mit Übergewicht (siehe Abbildung 3). Diese Zahlen sind, im Vergleich zu den Jahrgängen vor der COVID-19-Pandemie, leicht gestiegen (Anstieg von 9,7 % in 2019 auf 10,3 % in 2022). „In den am stärksten betroffenen Gemeinden Bad Karlshafen (24,3 %), Naumburg (17,6 %) und Wesertal (16,7 %), sollten zusätzliche Bewegungsangebote für Vorschulkinder geschaffen werden“, fordert Bresler.

Die Maßnahmen

Der Landkreis Kassel nimmt mit zwei Gemeinden am Präventionsketten-Projekt der Auridis Stiftung gGmbH teil, um integrierte Handlungskonzepte zu entwickeln, die ein gelingendes Aufwachsen und die Förderung der Kinderrechte gewährleisten. Dabei geht es auch um die Förderung guter Strukturen und Rahmenbedingungen für das Wohlbefinden der Kinder. 

Im Landkreis Kassel gibt es in einigen Kitas spezielle Konzepte für Sprachförderung (Sprachförder-Kitas), auch in der Familie. Zudem wird das hessische Kindersprachscreening (KiSS) in vielen Kindertagesstätten schon seit Jahren durchgeführt. In diesen Kitas gibt es speziell für das Sprachscreening (Früherkennungsprogramm zur Sprachentwicklung) geschulte Erzieherinnen und Erzieher. Ziel des Gesundheitsamts Region Kassel, welches die Kitas bei der Durchführung des KiSS unterstützt, ist es, die Teilnahme weiterer Einrichtungen im Landkreis Kassel am hessischen KiSS zu fördern. 

Die Angebote in den Kitas der Gemeinden sind insgesamt individuell gestaltet. So wird in einigen Kitas im Landkreis Kassel beispielsweise der zuckerfreie Vormittag umgesetzt.