Sie jucken und sind hoch ansteckend: Windpocken übertragen sich beispielweise beim Sprechen, Lachen oder sogar durch Tränen. Neun von zehn nicht immunisierten Kontaktpersonen eines erkrankten Menschen stecken sich an. Für Erkrankte sowie ungeimpfte Kontaktpersonen, egal ob die Krankheit ausbricht oder nicht, gilt ein Betretungsverbot für Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Kitas und Schulen. Dies gilt meistens nicht länger als 16 Tage.
„Windpocken gehören noch immer zu einer der häufigsten Kinderkrankheiten. Viele Eltern werden sie aus eigener Erfahrung kennen und sich an die juckenden Bläschen erinnern“, so Bürgermeisterin Nicole Maisch und Landrat Andreas Siebert. „Gerade Kinder sind oft betroffen und ein bis zwei Tage ansteckend, bevor etwa der typische Ausschlag entsteht. Schon der Aufenthalt im gleichen Zimmer ist in den meisten Fällen ansteckend, da die Übertragung über die Luft stattfindet. Daher sind Menschen aus dem gleichen Haushalt oder der gleichen Klasse oder Kindergartengruppe eines Erkrankten und ohne eigene Immunität, also ohne Impfung oder nachgewiesener überstandener Erkrankung, als krankheitsverdächtig anzusehen, wie es das Robert Koch-Institut ausdrückt. Im Klartext bedeutet das: Sie sollten gemäß RKI-Empfehlung und nach dem Infektionsschutzgesetz Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Kita oder Schule 16 Tage nicht betreten.“
„Dabei gibt es seit über 20 Jahren eine gut wirksame Impfung gegen die Krankheit, die schon im Säuglingsalter gegeben werden kann. Kurz nach der zweiten Impfeinheit liegt dann der Impfschutz bei annähernd 100 Prozent“, ergänzt Dr. Anneke Hecke, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel.
Windpocken – unterschätzte Kinderkrankheit
Windpocken sind eine Infektionskrankheit, die durch das Varizella-Zoster-Virus verursacht wird. Das Virus zählt zur Familie der Herpesviren. Die Windpocken zeigen sich durch einen juckenden Hautausschlag mit Bläschen, in denen sich die Viren befinden. Begleitet von leichtem Fieber beginnt die Krankheit mit Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen, gefolgt von einem Hautausschlag, der aus verschiedenen Bläschen und Schorf in verschiedenen Entwicklungsstadien („Sternenhimmel“) besteht und typischerweise drei bis fünf Tage anhält.
Kleine Kinder erkranken in der Regel weniger schwer an Windpocken als Erwachsene. Gerade bei Erwachsenen kann eine Erkrankung auch Komplikationen bringen. Dazu zählt unter anderem eine schwere Lungenentzündung, die bei jedem fünften Erwachsenen auftreten kann. Dies gilt vor allem auch für Schwangere, die selber keinen Immunschutz gegenüber Windpocken haben. Es besteht die Gefahr, dass sie den Erreger an das ungeborene oder gerade geborene Kind weitergeben. Dies kann im Verlauf zu schweren Fehlbildungen beim ungeborenen Kind führen.
Das Virus kann von Mensch zu Mensch, zumeist durch Tröpfcheninfektion, übertragen werden. Dies ist bereits beim Auftreten unspezifischer Symptome (wie etwa Kopf‐ und Gliederschmerzen, Fieber) und noch vor dem Auftreten der Hautläsionen möglich. Das Übertragen geschieht beim Einatmen winziger Speicheltröpfchen, die Erkrankte beim Atmen, Sprechen und Niesen in der Luft verbreiten. Die virushaltigen Aerosole schweben dabei in der Luft und werden durch den Wind und über mehrere Meter übertragen. „Auch durch Schmierinfektionen beziehungsweise direkt über Gegenstände können Windpocken übertagen werden. Die Speicheltröpfchen von Erkrankten sind dabei ebenso ansteckend wie die Flüssigkeit der Bläschen, wenn sie platzen oder aufgekratzt werden. Fast jeder Kontakt führt zur Infektion“, so Hecke.
Windpocken brechen acht Tage bis vier Wochen nach Ansteckung aus, zumeist nach etwa zwei Wochen. Infizierte sind bereits ein bis zwei Tage ansteckend, bevor der Ausschlag zu sehen ist. Die Ansteckungsgefahr endet, wenn alle Bläschen verkrustet sind und sich keine neuen mehr bilden (in der Regel fünf bis sieben Tage nach Beginn des Ausschlags).
16 Tage keine Schule oder Kita
Das Risiko der Weiterverbreitung der Windpocken ist in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kitas besonders hoch. Enge Kontaktpersonen, die nicht gegen Windpocken geimpft sind und die Erkrankung auch nicht nachweislich durchgemacht haben, sollten daher die Schule oder Kita in der Regel für 16 Tage nicht betreten. So kann das Risiko deutlich reduziert werden, dass sie den Erreger an andere weitergeben bevor sie bemerken, dass sie bereits selbst ansteckend sind.
„Das Gesundheitsamt prüft hier im Einzelfall, ob die Anordnung eines Betretungsverbots vorübergehend erforderlich ist. Rechtliche Grundlage für das Betretungsverbot ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit den fachlichen Empfehlungen des Robert Koch‐Instituts (RKI). Die Betroffenen werden individuell über die rechtlichen Hintergründe aufgeklärt“, erläutert Hecke.
Diese Regelung gilt übrigens nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Für ungeimpfte Lehr- oder Erziehungskräfte beispielweise gelten bestimmte Tätigkeitseinschränkungen nach Kontakt mit einer erkrankten Person. Wichtig zu wissen: in diesen Fällen haben Betroffene keinen Anspruch auf eine Entschädigung des eventuellen Verdienstausfalls. Aktuell hat diese Regelung weniger Relevanz, da sie für Personen gilt, die nach 2004 geboren wurden. Vor 2004 Geborene, die in Deutschland aufgewachsen sind, haben höchstwahrscheinlich die Erkrankung durchgemacht. Ab 2004 konnte geimpft werden.
Zusammengefasst gilt für Erkrankte: Sobald sich alle Bläschen verkrustet haben und keine neuen mehr auftreten, dürfen sie wieder in die Kita oder Schule zurückkehren. Für Kontaktpersonen ohne Immunität gilt: Auch, wenn die Krankheit nicht ausbricht, dürfen sie für 16 Tage nach dem letzten infektionsrelevanten Kontakt die Kita oder Schule nicht betreten. Erkranken sie selbst, gelten die Regeln für Erkrankte.
Personen, die Kontakt zu einem Windpockenfall hatten, aber eine Immunität nachweisen können, dürfen die Einrichtungen weiterhin besuchen oder in ihnen tätig sein. Allerdings nur, wenn sie selbst keine Windpocken-typischen Symptome entwickeln. Von einer Immunität geht man aus bei:
- Personen, die vor 2004 geboren und in Deutschland aufgewachsen sind
- Personen, die nachweislich eine Windpockeninfektion durchgemacht haben.
- Personen, die zwei dokumentierte Impfungen gegen Windpocken haben.
Die Impfung
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Varizellen (Windpocken). Eine Impfpflicht besteht jedoch nicht. Kinder erhalten den Impfschutz in zwei Schritten: Die erste Impfung wird im Alter von elf bis 14 Monaten, die zweite Impfung im Alter von 15 bis 23 Monaten verabreicht.
Ungeimpfte und lediglich einmal geimpfte Kinder und Jugendliche sollten fehlende Impfungen so schnell wie möglich nachholen. Ungeimpften Erwachsenen ohne durchgemachte Windpocken wird eine Impfung mit zwei Impfdosen empfohlen. Weitere Informationen und eine persönliche Beratung gibt es in den Kinder- und Hausarztpraxen vor Ort.
Aus Windpocken-Virus kann Gürtelrose entstehen
Eine Gürtelrose, auch Herpes zoster genannt, wird ebenfalls durch das Varizella-Zoster-Virus hervorgerufen. Hat man zum ersten Mal Kontakt zu dem Virus, verursacht es Windpocken – meist bei Kindern. Wenn die Windpocken wieder abgeklungen sind, bleibt das Virus ein Leben lang in bestimmten Nervenzellen im Körper und kann zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Gürtelrose führen.
Typische Anzeichen für eine Gürtelrose sind ein brennender Schmerz und flüssigkeitsgefüllte Bläschen in dem zum betroffenen Nerv gehörenden Hautbereich. Am häufigsten treten die Symptome an Rumpf und Brustkorb auf, können sich aber auch an anderen Stellen des Körpers zeigen. Nachdem der Hautausschlag abgeheilt ist, kann ein Nervenschmerz in der betroffenen Hautregion für mehrere Monate bis Jahre anhalten, der für die Betroffenen sehr belastend sein kann.
In Deutschland erkranken nach Angaben des Robert Koch-Instituts jährlich mehr als 300.000 Personen an einem Herpes zoster. Etwa 15.000 von ihnen (fünf Prozent) entwickeln eine Komplikation in Form des länger anhaltenden Nervenschmerzes. Im Alter von 50 Jahren erkranken jährlich etwa sechs von 1.000 Personen, im Alter von 90 Jahren sind es 13 von 1.000 Personen.
Eine Impfung kann einen guten Schutz gegen Gürtelrose bieten. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Standardimpfung für Menschen ab 60 Jahren sowie für Personen ab 50 Jahren mit Grunderkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen oder Asthma bronchiale, chronischer Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus.
Für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Impfung sind zwei Dosen vorgesehen. Als Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfung werden zwei bis sechs Monate empfohlen. Die Impfung gegen Gürtelrose wird für alle Personen ab 60 Jahren und Personen mit Grunderkrankungen ab 50 Jahren von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die Hausärztinnen und Hausärzte informieren und beraten individuell bezüglich der Impfungen.