Region Kassel. Im historischen Ratssaal der Stadt Kassel trafen sich etwa 180 Fachleute des Betreuungswesens zum 13. Betreuungsgerichtstag Mitte. Richter, Hochschullehrer, Betreuer und Verwaltungsmitarbeiter berieten darüber, wie die neue Betreuungsrechtsreform in die Praxis umgesetzt werden kann. Auch 30 Jahre nach Einführung des Betreuungsgesetzes sind Menschen mit rechtlicher Betreuung Vorbehalten und Stigmatisierungen ausgesetzt.
„Das Betreuungsrecht steht vor einer grundlegenden Modernisierung. Im Fokus des neuen Rechts steht die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und die Förderung der Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen“, hält Bürgermeisterin Ilona Friedrich fest. „Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass nicht nur wir als Betreuungsbehörde, sondern alle Akteurinnen und Akteure im Betreuungswesen sich mit der neuen Rechtslage vertraut machen und wir in den Austausch gehen. Mir ist es ein Anliegen, dass wir gemeinsam die zukünftigen Herausforderungen, die das neue Gesetz mit sich bringt, angehen und professionelle Handlungsspielräume zur Umsetzung finden. Ich freue mich, dass wir mit dem Betreuungsgerichtstag Mitte einen ersten Schritt in diese Richtung gehen können.“
Der Betreuungsgerichtstag Mitte findet in diesem Jahr zum ersten Mal in Kooperation mit den Betreuungsbehörden der Stadt und des Landkreises Kassel statt. Vizelandrätin Silke Engler sieht bei der Umsetzung der Reform des Betreuungsrechts „die Möglichkeit für die betroffenen Menschen, ihre Bedarfe konkret und deutlich zu benennen, so dass daraus passgenaue Leistungen erfolgen können“.
Frau Annette Loer, Betreuungsrichterin aus Hannover und Vorstandsmitglied des BGT e.V., hat an der Reform als Referentin im Bundesjustizministerium mitgewirkt. In ihrem Vortag erläuterte Sie, wie die Reform die UN-Behindertenrechtskonvention auch im Betreuungsrecht umsetzt. Annette Loer: „Rechtliche Betreuung ist Unterstützung und Schutz für Menschen mit Beeinträchtigungen, die Hilfe bei der Ausübung ihrer rechtlcihen Handlungsfähigkeit brauchen. Auch 30 Jahre nach Einführung des Betreuungsgesetzes sind Menschen mit rechtlicher Betreuung noch Vorbehalten und Stigmatisierungen ausgesetzt.“
Neben der Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes soll mit der Reform auch die Qualität bei der Führung von Betreuungen gesteigert werden. Den Betreuungsbehörden kommt eine ganz neue Rolle zu. Sie registrieren zukünftig beruflich tätige BetreuerInnen und prüfen, ob sie über eine ausreichende Sachkunde verfügen. Auch für Angehörige und ehrenamtliche BetreuerInnen muss ein verbindliches Beratungsangebot geschaffen werden.
Svenja Schmidt, Fachdienstleiterin für Soziale Dienste und Angebote beim Landkreis Kassel betont: „Die Betreuungsrechtsreform erfordert ein hohes Maß an Absprachen und Kooperationswillen sowie die enge Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure. Notwendig ist es im Vorfeld möglichst Klarheit über die Abläufe herzustellen. Der Landkreis Kassel hat bereits bei vielen Veranstaltungen über betreuungsrechtliche Inhalte informiert und wird dies auch weiterhin tun.“
Herr Butterweck, Leiter der Betreuungsbehörde der Stadt Kassel: „Durch die Auswirkungen der Betreuungsrechtsreform werden wir zukünftig viel enger mit den Betreuungsvereinen zusammenarbeiten. Aus diesem Grund haben wir uns bereits mehrfach mit den Vertreterinnen und Vertretern getroffen. Wir planen zukünftig regelmäßige Treffen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren, und eine Sprechstunde für ehrenamtlich rechtliche Betreuerinnen und Betreuer zusammen mit den Betreuungsvereinen. Und nicht nur die Zusammenarbeit mit uns als zuständige Betreuungsbehörde, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Betreuungsvereinen soll verstärkt werden.“
Die Reform ist anspruchsvoll und wird bei den knappen Ressourcen der öffentlichen Verwaltung auch eine Herausforderung. Von Kassel geht nach intensiver Fachdiskussion ein positives Signal aus und die Akteure möchten sich der Herausforderung stellen: Die Umsetzung der Reform nimmt Fahrt auf – Herausforderungen gemeinsam angehen! So der Titel der Tagung.