Landkreis Kassel. Das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Landrat Andreas Siebert und die Erste Kreisbeigeordnete Silke Engler begrüßen die Vereinbarung, dass der Bund den Kommunen erneut eine Milliarde Euro zur Versorgung der Flüchtlinge zur Verfügung stellt. „Gleichzeitig fordern wir die Landesregierung auf, es dem Bund gleichzutun und den Kommunen ebenfalls Sondermittel für die Integration zuzuweisen“, sagen Siebert und Engler. Die Landesregierung müsse die vom Bund als Soforthilfe für die Auswirkungen des Ukrainekrieges bereitgestellten Mittel sowie die im gestrigen Flüchtlingsgipfel in Aussicht gestellte zusätzliche finanzielle Unterstützung umgehend und vollständig an die kommunale Familie durchreichen.
„Die Landesregierung hat im vergangenen Jahr lediglich 71,2 Prozent an die kommunalen Gebietskörperschaften weitergereicht und für 2023 angekündigt, 50 Prozent einzubehalten“, zeigen Engler und Siebert auf. Dabei benötigten die Landkreise, Städten und Gemeinden dieses Geld, um die Unterbringung der vielen ukrainischen Geflüchteten, die direkt in den Kommunen angekommen sind, finanzieren zu können. Der Landkreis Kassel hat seit Ausbruch des Ukrainekriegs 5007 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen (Stand 5.Mai 2023). Davon leben aktuell 3536 Personen im Landkreis. Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele Ukrainer nur vorübergehend zurückkehren und häufig nach kurzer Zeit erneut nach Deutschland einreisen.
Darüber hinaus leben derzeit weitere 1019 Asylberechtigte (Stand 31. März 2023) in Flüchtlingsunterkünften des Landkreises Kassel. Zudem werden jede Woche Geflüchtete über die hessische Erstaufnahme zugewiesen. Dadurch entsteht eine hohe Belastung für den Kreishaushalt: „Wir hatten im vergangenen Jahr ein Aufwandsvolumen im Flüchtlingsbereich von 30,7 Mio. Euro und einen Fehlbetrag von 6,9 Mio. Euro. Für dieses Jahr haben wir mit Aufwendungen von 25,9 Mio. Euro kalkuliert, aber es zeichnet sich bereits jetzt ein Fehlbetrag von 7,9 Mio. Euro ab“, rechnet Landrat Siebert vor. „Darüber hinaus warten wir noch auf die Zahlung von Zuweisungen nach dem Landesaufnahmegesetz für das vergangene Jahr von rund 7,5 Mio. Euro“, ergänzt Engler.
Die Soforthilfen aus den Entlastungspaketen des Bundes decken die tatsächlichen Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten nicht. Zum Vergleich: Aus den zwei Entlastungspaketen im Jahr 2022 in Höhe von 3,5 MRD. Euro hat das Land Hessen 268,9 Mio. Euro erhalten. An den Landkreis Kassel sind davon rund 7 Millionen Euro geflossen. Im November 2022 hatte der Bund außerdem weitere 1,5 MRD. Euro für die ukrainischen Geflüchteten zugesagt. Davon hat das Land Hessen 111,9 Mio. Euro erhalten, beabsichtigt aber nur rund 56 Mio. Euro an die Kommunen weiterzuleiten. Für den Landkreis Kassel wären das rund 2,1 Mio. Euro. Darüber hinaus soll es aus einer allgemeinen flüchtlingsbezogenen Pauschale weitere 1,25 MRD Euro pro Jahr geben. Für Hessen sind das 93,8 Mio. Euro. Der Anteil des Landkreises beträgt hier rund 1,8 Mio. Euro. Die nun zugesagte weitere Milliarde aus dem dritten Entlastungspaket soll allerdings nicht nur der allgemeinen finanziellen Entlastung dienen, sondern auch die Digitalisierung der Ausländerbehörden finanzieren.
Für die Unterfinanzierung der hessischen Kommunen könne der Bund nicht allein verantwortlich gemacht werden, meinen Engler und Siebert mit Blick auf die zurückliegende Ministerpräsidentenkonferenz. Bereits vor Beginn des Ukrainekrieges habe das Land die Kommunen beim Betrieb der Kitas, in der Schulinfrastruktur, dem Wohnungsbau, dem ÖPNV und der ärztlichen Versorgung, um nur einige Beispiele zu nennen, nicht ausreichend finanziell unterstützt. Die Kommunen stünden an ihrer Belastungsgrenze. Es brauche auch ein auskömmliches Investitionsprogramm für Schul- und Kitabauten, erfüllbare Regelungen für den Betrieb von Kitas und Schulen, eine deutlich höhere Beteiligung des Anteils des Landes an den entstehenden Kosten für den ÖPNV.
Weil nicht zu erwarten ist, dass die Flüchtlingsbewegungen künftig rückläufig sein werden, müssen zudem die Aufnahmekapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes ausgebaut und auch belegt werden, um die kommunalen Gebietskörperschaften spürbar zu entlasten. „Wir hoffen darauf, dass die Landesregierung zur früheren - der Rechtsprechung entsprechenden - Praxis zurückkehrt, und ausschließlich Schutzsuchende mit guter Bleibeperspektive auf die kommunale Ebene zu verteilen, um eine gelingende Integration zu ermöglichen. Deshalb unterstützen wir auch das Vorgehen der Bundesinnenministerin, durch eine europaweite Regelung sowohl die unkontrollierte Zuwanderung zu begrenzen, als auch eine geordnete Rückführung zu betreiben“, sagen Engler und Siebert abschließend.